VORWORT
Zu richtigem Verständnis der Weltpolitik Englands beizutragen, ist Zweck und Ziel dieses Bändchens. Es will die Jugend die Wege und Ziele, die die englische Politik seit dreihundert Jahrhunderten verfolgt, erkennen
lernen. So wird klar werden, daß Englands heutige Verhalten uns gegenüber ganz seiner stets im Kampfe mit anderen Gegnern geübten Methode entspricht, daß die Enttäuschung, die uns sein Eintritt in die Reihen
unserer Feinde bereitete, nur eine Folge der falschen Auffassung gewesen ist, die wir uns von der Denkungs-und Handlungsweise diese Volkes gemachte hatten.
Wir haben England, seine Geschichte und seine Politik bisher nur durch die rosenrote Brille des Englandfreunde betratchtet and betrachtet lassen. So erklärt sich, daß fur den englischen Unterricht verfaßte
Unterrichtswerke, daß zahlreiche in unseren Schulen gelesene Ausszüge aus englischen Historikern ganz im Dienste jener Politik der Annäherung an England standen, deren Unfruchtbarkeit, ja Zwecklosigkeit wir am
4. August 1914 so scherzlich erkannten. Wir hatten eben bisher die englische Geschichte nur bewunderndernd und nicht kritisch gelesen. Wo
findet sich auch in den bei uns eingeführten englischen Historikern der Krieg
Philipps II. von Spanien mit
*) F. Tönnies, Englische
Weltpolitik in englischer
widerlegt gebliebene Schrift
veröffentlicht (Conventional Cant, its
Results and Remedy) und an die Spitze seiner Ausführungen ein Kapitel über
„Pharisäismus” gestellt. Er sieht im cant das englische Nationalgebrechen, das, noch verbreiteter als die englische Bigotterie und Trunksucht, mit fast jeder
Form der Selbstsucht und des Lasters in
Dieser cant wuchert naturgemäß besonders üppig in der auswärtigen Politik und in den Kriegen Englands, und noch im Jahre 1913 hat einer der angesehensten Staatsmänner des Landes, der wegen seiner Verdienste um Ägypten 1901 in don Grafenstand erhobene Lord Cromer (in seinen Political and Literary Essays, p. 9) die Redewendung vom „britischen Geist des ehrlichen Spiels” (fair play) als die Cant-Phrase des Tages bezeichnet (Tönnies, Englische Weltpolitik usw.).
Aber ob auch gelegentlich von Schriftstellern und Politikern klar erkannt und verdammt,
Right
or Wrong, My Country!
ist nach wie vor der Grundsatz der englischen Politik goblieben.
Diese von englischen Staatsmännern und der überwiegenden Mehrheit der englischen Historiker geflissentlich verschleiert gehaltene Richtschnur der englischen Politik aus Zeugnissen hervorragender englischer Autoren vor den Augen unserer Jugend bloßzulegen, ist der Zweck der vorliegenden Schulausgabe.
Aus solchen Quellen geschöpft, wird diese Auswahl uns, so hoffen wir, vor dem Vorwurf bewahren, ein gewollt dunkles Bild zusammengestückt zu haben. Wenn wir nur einige, und nicht einmal die krassesten Fälle von der Skrupellosigkeit und Selbstsucht der Politik Albions aufgenommen haben, so gebot dies die Rücksicht auf den Umfang dieses Bändchens. Toneies' schon genannte Schrift, der wir manche Hinweise verdanken, läßt erkennen, wie reichhaltig das Material ist, das zu Gebote steht. Wegen Raummangels mußten auch die meisten der ausgewählten Texte mehr odor minder gekürzt werden.
Wir haben als Prolog einen dem Sammelband Facts
and Comments (
Seeley, der vornehmste unter den die imperialistische Fahne schwingenden
Historikern Englands, ist mit seinen beiden Büchern The Expansion
of
England und The Growth of English
Policy zu bekannt, als
daß es nötig wäre, ihn vorzustellen. Erwähnt sei nur, daß die Lektüre seiner
Schriften heute, wo uns die Augen über
Aber diese Anklagen treten weit zurück gegen die Schuld,
die
Durch äußerst geschickt angewandte Mittel, durch feine diplomatische Künste
hat es
Der seinerzeit hochbedeutsame Essay von Richard Price On Liberty bot eine zeitgenössische, die Stellung der besonnenen Kreise in England zu dem amerikanischen Streit und die Kleinlichkeit und Kurzsichtigkeit der leitenden englischen Staatsmänner vortrefflich ins Licht rückende Darstellung.
Wie die die volle Entfaltung der persönlichen Freiheit des Individuums anstrebende englische Verfassung geradezu das Werkzeug wird, da, wo das wirtschaftliche Interesse von Engländern in Frage kommt, mit größter Grausamkeit Freiheit und Leben von Nichtengländern zu bedrohen und zu schädigen, erhellt aus den beiden letzten Abschnitten, England's Share in the Slave-Trade (aus W. H. Leckys oben genanntem Werk) und English Atrocities in Jamaica (aus dem ebenfalls schon erwähnten Werk von J. Mc Carthy, A History of Our Own Times).
Die den angeführten Texten beigegebenen Anmerkungen wollen zwei Zwecken dienen. Sie wollen in erster Linie den Text erklären, dann aber darüber hinaus den einzelnen Ausschnitt aus der englischen Geschichte in den größeren Rahmen des Weltgeschehens einspannen. Erweiterung des historischen Gesichtskreises unserer Jagend, Einführung in das Verständnis der Weltpolitik war das Ziel, das uns dabei vorschwebte.
Das Bändchen eignet sich für die oberen Klassen aller höheren Lehranstalten, der weiblichen wie der männlichen Jugend.
Wir haben noch eine angenehme Pflicht zu erfüllen: der Verlag von Velhagen & Klasing hat durch bereitwillige und schnelle Beschaffung der erforderlichen Hilfsmittel ganz wesentlich zum Entstehen des Werhehens beigetragen. Wir sagen ihm unseren wärmsten Dank.
Die Herausgeber.